Jürgen Reuter, Leiter der Rotkreuzgeschichtlichen Sammlung in Westfalen-Lippe, hält eine Rarität in seinen Händen: eine Originalausgabe der „New York Times“ vom 20. Juli 1859. Ihre Titelgeschichte schildert die Schlacht von Solferino, die sich einen Monat zuvor Franzosen, Italiener und Österreicher geliefert hatten. „Die Bedeutung der Schlacht war hoch, denn sonst hätten die Amerikaner kaum über ein europäisches Ereignis so ausführlich berichtet“, sagt Reuter. Für das DRK ist die humanitäre Folge dieses Kriegs wichtig: Unter dem Eindruck von Zigtausend unversorgten Verwundeten begann der Geschäftsmann Henry Dunant, sich für eine Nothilfeorganisation einzusetzen; vier Jahre später wurde in Genf das Rote Kreuz gegründet.
Für Reuter ist diese „New York Times“ ein weiteres wichtiges Zeitdokument, um die er seine Sammlung in Bad Lippspringe bereichert hat. „Der Schriftführer unseres Museumsvereins hat die Zeitung auf einer Auktionsplattform im Internet entdeckt – wir haben mitgeboten und Gott sei Dank den Zuschlag erhalten“, erinnert er sich. Die „New York Times“ war selbstverständlich auch Teil einer Sonderausstellung zum 100. Jahrestag der Solferino-Schlacht, die das Museum im vergangenen Jahr präsentierte. In diesem Jahr stand vom 8. bis 16. Mai wieder eine Ausstellung an – diesmal zu Henry Dunant und seinem wichtigsten Mitarbeiter Gustave Moynier, die beide vor genau 100 Jahren verstorben sind. Ihre Zusammenarbeit, aber auch ihre Auseinandersetzungen haben die Gründungsgeschichte des Roten Kreuzes maßgeblich geprägt. Die „New York Times“ und viele weitere der für die beiden Ausstellungen zusammengetragenen Exponate können jetzt im Bad Lippspringer Museum selbst besichtigt werden.
Noch bis Ende Juli ist eine Dunant-Sonderausstellung in der Rotkreuzgeschichtlichen Sammlung Fläming-Spreewald im brandenburgischen Luckenwalde zu sehen. „Pioniere der Rotkreuz-Geschichte“, so der Titel, widmet sich nicht nur Henry Dunant und seinen Mitarbeitern, sondern auch der britischen Krankenschwester Florence Nightingale. Sie begründete während des Krimkriegs (1853 bis 1856) die moderne Krankenpflege und war wichtiges Vorbild für das Engagement von Henry Dunant. Der Bedeutung der Ausstellung entsprechend eröffnete Museumsleiter Professor Dr. Rainer Schlösser sie am 28. Mai mit einem prominent besetzten Podiumsgespräch: Der Schriftsteller Rolf Hochhuth unterhielt sich mit Vertretern des brandenburgischen Literaturbüros über sein Bühnenstück „Effis Nacht“. Es bezieht sich wie Theodor Fontanes „Effi Briest“ auf die historische Person der adeligen Elisabeth von Ardenne, die einen Bürgerlichen heiratete. Allerdings lässt Hochhuth seine Effi nicht sterben, sondern sie ihr Leben verändern – woran im Stück eine Begegnung mit Henry Dunant entscheidenden Anteil hat. Aus der Freifrau wird eine Krankenschwester, die – am Bett eines verwundeten Soldaten wachend – in einem inneren Monolog auf ihr Leben zurückblickt. „Auch dass Henry Dunant in der Literatur weiterlebt, zeigt den Gehalt und die Aktualität seines Gedankenguts“, sagt Dr. Schlösser. Allen Interessierten kann er die Lektüre von „Effis Nacht“ deshalb nur empfehlen.
Quelle:
rotkreuzmagazin
Ausgabe 2 / 2010